Das traditionelle „Brick and Mortar“-Handelsmodell, bei dem der Kundenkontakt nicht im Internet, sondern in Geschäfts- und Verkaufsräumen stattfindet, steht vor der größten Herausforderung aller Zeiten: Heute muss der Handel die Nachfrage von technologisch versierten Verbrauchern mit hohen Ansprüchen an schnelle Bedienung ansprechen, erfüllen und dabei noch rentabel bleiben. Die alten Systeme und Prozesse sind dem nicht mehr gewachsen.

Wie gut der Handel die Erwartungen der Kunden erfüllen oder besser noch übertreffen kann, hängt von einer effizienten, gut vernetzten Logistikinfrastruktur mit Echtzeittransparenz und offenen Kommunikationswegen im gesamten Logistikprozess ab. Mit dem zunehmenden Risiko, dass sich immer mehr Händler aus unseren Hauptgeschäftsstraßen verabschieden, müssen sich die Vorstände den neuen Regeln stellen und für neue Lösungen öffnen, mit denen sie ihre finanziellen Belastungen im Rahmen halten, so Amir Harel, General Manager Visibility Solutions bei Zetes.

Real-time visibility is key for modern retailers
 

Unnötig entgangene Umsätze

Der Wettbewerb im Handel ist heute stärker denn je. Die Verbraucher haben hohe Erwartungen. Was uns gestern noch begeisterte, ist morgen schon Standard. Nie zuvor war die Lieferkette, die das neue Serviceversprechen umsetzen muss, so komplex. Für den Handel ist es an der Zeit, Zeit und Geld zu investieren, um seine Prozesse für das Markenversprechen in puncto Tempo, Personalisierung und besserer Kundeninteraktion neu aufzustellen.

Der Handel ist gezwungen, den Kunden immer mehr zu bieten, aber die Kosten für die Umsetzung dieser Versprechen – von Click & Collect in einer Stunde bis zur Expresslieferung – steigen ebenfalls. Isolierte Altsysteme, fehleranfällige manuelle Prozesse, unzureichende Bestandsverwaltung und mangelnde Transparenz schaffen potenzielle Stolperfallen, die zu enttäuschten Kunden führen können. Folglich ist das Modell nicht nur unhaltbar kostenaufwendig, sondern auch extrem inkohärent – wie lange noch können Händler das Blaue vom Himmel versprechen, ohne zu liefern?

Nach einer neuen Verbraucherstudie von Zetes entgehen dem Handel in der Hauptsaison tatsächlich bis zu 35 Prozent der geplanten Ausgaben der Verbraucher, weil Produkte am Ort der Transaktion (online oder in der Filiale) nicht lieferbar sind. Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass über ein Drittel des Umsatzpotenzials für den Handel verschwindet, weil die Händler keine effektive Kontrolle und Transparenz über ihre Lieferketten haben.

Veraltetes Vertrauensmodell

Kern des Problems ist nicht bloß der Wandel eines Handelsmodells oder von Händlern, die mit den Anforderungen mehrerer Kanäle und wechselnden Kundenerwartungen jonglieren. Die Herausforderung betrifft die gesamte Lieferkette. Wie viele Manager im Handel haben wirklich einen präzisen Echtzeitüberblick über alle vor- oder nachgelagerten Prozesse im Netzwerk? Wie sicher wissen sie über alle Aufträge, deren Versandzeit, voraussichtliche Lieferzeit und Vollständigkeit Bescheid? Die Wahrheit lautet: nur sehr, sehr wenige. Stattdessen wird noch nach dem altmodischen Prinzip von Vertrauen und Papierdokumenten gearbeitet.

Dabei sind die nötigen Informationen durchaus vorhanden. Im Supply Chain Netzwerk wimmelt es nur so von Daten – das Problem ist, dass viel zu wenige Händler diese systematisch in Echtzeit erfassen und konsolidieren, um fundiertere, schnellere und effektivere Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Die Nase vorn hat, wer über lückenlose Echtzeittransparenz in der Lieferkette verfügt, vom Lieferanten bis zum Kunden, mit Daten aus einer zentralen, zuverlässigen Quelle. Dies ist die Methode, die neue Dimensionen der Zusammenarbeit und somit den Wandel der Prozesse im Handel ermöglicht – von innovativen Kundenangeboten bis zur Lösung von Problemen. Die übrigen Handelsunternehmen arbeiten noch mit EDI, E-Mails, Telefon oder sogar Fax. Sie vertrauen im Grunde darauf, dass ihre Lieferanten pünktlich am vereinbarten Ort die richtige Menge in der gewünschten Qualität liefern. Doch das funktioniert nicht. Wie könnte es auch, zumal niemand über einheitliche, zuverlässige Informationen verfügt?

Transparenz in Echtzeit

Und wie steht es mit der Erfahrung für den Kunden? Wenn die Lieferung frei Haus oder Click & Collect von der Filiale ausgeführt wird, besteht beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass das angeblich vorrätige Produkt bereits ausverkauft ist, wenn ein Verkaufsmitarbeiter den Auftrag bearbeitet. Das Ergebnis ist ein unzufriedener, wenn nicht sogar verärgerter Kunde.
Die Kollegen im Handel wünschen Veränderungen. Neuere Forschungen haben zwar nachgewiesen, dass 81 Prozent der Händler die Schaffung einer zentralen Sicht auf die Bestände mit Echtzeittransparenz für ausschlaggebend halten, dass aber nur 36 Prozent dieses Ziel auch tatsächlich erreicht haben. Doch wie kann sich ein Händler vornehmen, seinen Kunden ein modernes Einkaufserlebnis zu bieten, wenn die Lieferkette grundlegende Beschränkungen durch Informationen erfährt, die 24, 36 oder sogar 48 Stunden alt sind? Wo liegen die Möglichkeiten zur Minderung der Probleme im Zusammenhang mit Versorgungsengpässen, verspäteten Lieferungen und schlechtem Zustand? Um die Kunden und Verkaufsmitarbeiter mit präzisen, zeitnahen Produkt- und Lieferdaten zu versorgen? Vertrauen ist heute kein realistisches Modell für die Lieferkette mehr.

Transparenz in der Lieferkette muss zur Chefsache gemacht werden. Sie erfordert die Unterstützung durch das Topmanagement und eine klare Strategie.

Ohne Echtzeit- und End-to-End-Transparenz in der Lieferkette besteht kaum eine Chance, Probleme im Hinblick auf Qualität, Mengen oder Pünktlichkeit von Aufträgen zu identifizieren, ehe das Problem auftritt oder der Umsatz anderweitig eingebüßt wird. Der Mangel an präzisen, zeitnahen Informationen über die Lieferkette kann ausgesprochen schädlich sein, denn er bedeutet entweder überschüssige Vorräte und dadurch unnötig gebundenes Kapital oder zu knappe Vorräte und somit das Risiko von Lieferengpässen, ganz abgesehen von Rabatten und einer Beschädigung des Ansehens der Marke.
Transparenz in der Lieferkette verdient es, in den Unternehmen zur Chefsache gemacht zu werden. Es handelt sich um eine Top-down-Initiative, die die Unterstützung durch das Topmanagement und eine klare Strategie erfordert. Warum verlassen sich so viele Händler immer noch auf zahlreiche getrennte, veraltete Systeme, um ein Geschäftsmodell des 21. Jahrhunderts umzusetzen?

Groß denken, klein anfangen

Viele Händler haben vielleicht die Sorge, dass der Versuch, ein Echtzeit-Datenmodell zu schaffen, ihren Geschäftsbetrieb zu sehr unterbrechen und außerdem zu kostspielig sein würde, aber das ist einfach nicht der Fall. Statt einer komplexen Integration oder schlimmer noch, einer Kompletterneuerung der gesamten Systeme, lässt sich eine Transparenzschicht relativ einfach hinzufügen. Diese zusätzliche Schicht würde im Wesentlichen die von vorhandenen Systemen hervorgebrachten Informationen nehmen, die relevanten Informationen herausfiltern und ein geschäftskritisches Dashboard erstellen, das ein proaktives Management vom Lieferanten über die Filiale bis hin zum Kunden ermöglicht.

Das braucht nicht alles auf einen Schlag umgesetzt zu werden. Die Handelsunternehmen können sich auf die Bereiche der Lieferkette konzentrieren, die ihnen die größten Probleme bereiten oder von denen die größten Gewinne zu erwarten sind. Zum Beispiel könnte man bei einigen wichtigen Lieferanten anfangen, sich Transparenz zu verschaffen, Probleme wie etwa Abweichungen nachzuvollziehen und zu lösen – und das Ganze dann auf die Lieferanten der nächsten Ebene ausbreiten und so nach und nach die Akzeptanz im Unternehmen erhöhen. Das rechnet sich: in Form von unmittelbaren finanziellen Renditen, weniger Fehlern und einer drastischen Senkung des gebundenen Kapitals in Form von Vorratsüberschüssen.
Ähnlich verhält es sich in den Filialen: Verkaufsmitarbeiter mit Echtzeiteinblick in die Vorräte des gesamten Unternehmens können so gerüstet werden, dass sie den Kunden Zugang zu Produkten verschaffen, die in der Filiale aktuell nicht vorrätig sind, zum Beispiel, indem sie diese bei anderen Filialen anfordern oder an ein Schließfach liefern lassen.

Hierbei handelt es sich um ein agiles Modell, mit dem Handelsunternehmen groß denken, klein anfangen, schnell erweitern und rasch Zugang zu einem stetigen, transparenten Fluss von Informationen in der gesamten Lieferkette erhalten können. Dieser kann bedeutende, unmittelbare Gewinne im Hinblick auf finanzielle Renditen und zufriedene Kunden bringen.

Fazit

Das Grundprinzip des Handels besteht darin, den Verbraucher anzusprechen, den Verkauf zu tätigen und zu Markentreue zu motivieren. Gegenwärtig geht es jedoch darum, den Verkauf zu sichern. Nicht nur ein Mal, sondern für immer. Natürlich ist die Qualität des Berührungspunktes mit dem Kunden in jedem Handelskanal entscheidend. Ebenso entscheidend ist es, die Verkaufsmitarbeiter mit den nötigen Informationen und Fähigkeiten auszustatten, um den Verkauf zu sichern. Im Hintergrund dieses Prozesses muss eine unglaublich gut aufeinander eingespielte, transparente Lieferkette wirken; eine zentrale Kombination aus Back-End-Prozessen, die es ermöglichen, das Versprechen an den Kunden fehlerfrei, pünktlich und in erschwinglicher Weise zu erfüllen.

Im Wettbewerb mit den Marktführern der Branche sind angemessene Transparenz und Einblicke für die wesentlichen Akteure im Geschäft nicht optional, sondern grundlegend, um dem Kunden eine moderne Erfahrung zu bieten, die für diesen erschwinglich und für das Unternehmen nachhaltig ist.

Autor: Amir Harel, General Manager Visibility Solutions, Zetes

Amir Harel, General Manager - Visibility Solutions
 
 

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