Die Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel 2011/62/EU ist seit Februar 2019 in Kraft. Etwa 1 Prozent der Arzneimittel, die in den Industrieländern verkauft werden, werden gefälscht. Der weltweite Markt für gefälschte Arzneimittel umfasst200 Milliarden US-Dollar im Jahr*. Durch die Gesetzgebung soll verhindert werden, dass gefälschte oder unbefugt verschriebene Arzneimittel in die rechtmäßige Lieferkette geraten. Dadurch sollen Patienten besser geschützt werden.

Die Richtlinie tritt in weniger als einem Jahr in Kraft. Für den Großhandel und die Logistikdienstleister bedeutet das, dass sie jetzt handeln müssen, um die Richtlinie zu erfüllen. Oftmals wissen Unternehmen nicht genau, wo sie anfangen sollen.

Christian Taylor, einer unserer Unternehmensberater für Serialisierung, untersucht die wichtigsten Probleme und praktischen Fragen bezüglich der Erfüllung der Richtlinie.

Was bedeuten die Vorschriften für die einzelnen Akteure der Lieferkette?

Am Anfang der Lieferkette steht der Pharmahersteller. Dieser ist zuständig für die Serialisierung der Medikamentenschachteln, die Versiegelung des Produkts und das anschließende Hochladen der eindeutigen Identifikatoren auf den europäischen Hub, das European Medicines Verification System (EMVS).

Am Ende muss der Apotheker, der die Medikamente ausgibt, in der Lage sein, das betreffende Produkt zu scannen, die Echtheit zu überprüfen und das Produkt gegen einen nationalen Hub zu dekommissionieren. Dieser Hub wird als National Medicines Verification System (NMVS) bezeichnet. Wenn die Packung mit den Informationen im Repository übereinstimmt, wird sie dekommissioniert und an den Patienten ausgegeben. Besteht hingegen eine Warnung bezüglich der Packung, so wird die Packung nicht an den Patienten ausgegeben. In diesem Fall wird eine Untersuchung eingeleitet, um zu ermitteln, ob das Medikament gefälscht ist.

In der Mitte der Lieferkette stehen der Großhandel und die Logistikdienstleister. Sie müssen einen „risikobasierten“ Ansatz zur Überprüfung und Dekomissionierung von Produkten implementieren, die ihre Prozesse durchlaufen. In einigen Fällen müssen sie auch Produkte für Kunden dekommissionieren, die nicht in einer Gesundheitseinrichtung oder einer Apotheke tätig sind, jedoch gelegentlich Medikamente beziehen oder verwenden (z.B. Polizei, Schulen, Gefängnisse usw.).

Für die Erfüllung der Richtlinie ab Februar 2019 muss der Großhandel ein System implementieren, das die Überprüfung, Dekommissionierung oder Rekommissionierung (Verbindung mit dem nationalen Hub des jeweiligen Landes) von Packungen ermöglicht.

Was sind die praktischen Implikationen?

Im Prinzip brauchen Großhandel und Logistikpartner drei Komponenten:

1. Die Möglichkeit, 2D-Datenmatrix-Barcodes zu scannen, entweder mit mobilen Handheld-Geräten, Desktop-Scannern oder einer automatischen bildbasierten Technologie.

2. Eine Softwareanwendung, mit der die eingescannte Packung sofort anhand der Datenbank des National Medicines Verification System (NMVS) überprüft werden kann. Das NMVS wird von der National Medicines Verification Organisation (NMVO) verwaltet. In einigen Fällen, wie zum Beispiel bei Organisationen gemäß „Artikel 23“, benötigen Großhändler außerdem die Software für die Dekommissionierung oder Rekommissionierung von Produkten.

Die Dekommissionierung könnte auch vorgeschrieben sein, wenn das Produkt außerhalb der EU exportiert wird oder wenn ein Schaden aufgetreten ist. Wenn zum Beispiel ein Gabelstaplerfahrer aus Versehen eine Palette beschädigt und die Originalitätssiegel auf einem Produkt beeinträchtigt sind, kann das Produkt nicht mehr verkauft werden und muss sofort dekommissioniert werden.

3. Alle Ereignisse in Verbindung mit der Überprüfung und Dekommissionierung müssen über eine Frist von 10 Jahren erfasst und aufgezeichnet werden.

Die unmittelbare Priorität für den Großhandel muss eine möglichst kostengünstige und effiziente Erfüllung der Richtlinie sein. Für einige Unternehmen könnte die Erfüllung der Richtlinie auch mit zusätzlichem Nutzen verbunden sein. Die Möglichkeit, ein serialisiertes Lager zu verwalten, bringt größere Track & Trace-Fähigkeiten und schützt Unternehmen und Patienten noch besser.

Kann eine Organisation die Richtlinie erfüllen, ohne die Altsysteme vollständig auszutauschen?

Ja. Viele Unternehmen haben die Sorge, dass für die Erfüllung der Fälschungsschutzrichtlinie der komplette Austausch der vorhandenen Systeme erforderlich ist, was ziemlich kostspielig wäre. Das muss nicht so sein. Für eine weniger komplexe, zeitaufwändige und kostspielige Umsetzung empfiehlt sich eine Lösung aus einer Hand zu wählen – Know-how in Lagerprozessen und Technologieintegration, eine Daten- und Ereignistransparenzplattform und eine reibungslose Verbindung mit einem nationalen Arzneimittelüberprüfungssystem.

Packaged solutions ensuring full compliance with FMD

Erfahrung in der Integration in vorhandene WMS- oder ERP-Systeme ist unbedingt ratsam. Der Zeitaufwand für die Implementierung kann sich dadurch erheblich verringern (was angesichts der engen Fristen ungeheuer wichtig ist). Dasselbe gilt auch für die Kosten.

Kann ein Großhändler mit der European Medicines Verification Organisation (EMVO) kommunizieren?

Nein, nur Inhaber der Marktzulassung können direkt mit dem europäischen Hub (EMVO) kommunizieren. Aber Großhändler benötigen nicht nur die Fähigkeit, die produktbezogenen Prozesse durchzuführen, sondern sie müssen auch in der Lage sein, Daten an den nationalen Hub ihres Landes (NMVO) zu senden und sich mit dem Hub zu verbinden. Bei Importen muss diese Fähigkeit unter Umständen auch für mehrere Hubs gegeben sein.

Informationen, die von einem Marktzulassungsinhaber an den europäischen Hub kommuniziert werden, werden direkt an die jeweiligen nationalen Hubs gesendet. Anschließend können Großhändler, Parallelvertriebe und Apotheken darauf zugreifen.
Für Organisationen ist es jetzt wichtig, zu berücksichtigen, dass derzeit niemand die Daten von einzelnen Produkten online verarbeitet. Für die Compliance und die Meldung an die nationalen Hubs müssen Großhändler und Logistikpartner die aktuellen Prozesse überprüfen und sicherstellen, dass sie Daten für jede Einzelpackung in ihrem Lager verarbeiten können.

Was ist mit Artikel 23?

Artikel 23 ist noch nicht vollständig definiert. Dieser Artikel wird verschreibungspflichtige Arzneimittel regeln, die für Einrichtungen außerhalb des Gesundheitswesens bestimmt sind, wie zum Beispiel Schulen, Vollzugsanstalten, Zahnarztpraxen usw. Letztendlich hätten diese Organisationen keine Befugnis, sich beim nationalen Hub anzumelden und dort ein Produkt zu dekommissionieren. Großhändler, die solche Einrichtungen beliefern, werden dafür verantwortlich sein, die Produkte vor der Lieferung zu überprüfen und zu dekommissionieren.

Nicht nur eine Frage der Compliance: Zukunftsfähige Lieferketten

Letztendlich ist die Serialisierung die Einstiegsebene für Track & Trace. Damit können Unternehmen alle Ereignisse in ihrer Lieferkette erfassen. Die Möglichkeit, Daten in dieser Weise zu erfassen und zu speichern – und somit für Echtzeit-Transparenz und bessere Rückverfolgbarkeit zu sorgen –, wird für mehr Effizienz in der gesamten Lieferkette sorgen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Gesetzgebung in den kommenden Jahren Fortschritte machen wird. Das zeichnet sich bereits in anderen Ländern ab, die die Serialisierung eingeführt haben und jetzt bei Track & Trace angekommen sind. Hinter dieser Gesetzgebung stehen deutliche Effizienz- und Qualitätsvorteile.

Die Komplexität der pharmazeutischen Supply Chain ist unbestritten. Aber wenn Unternehmen die von den Regulierungsbehörden vorgeschriebenen Änderungen als Chance annehmen, um ihre Lieferketten zu optimieren, Datenströme zu aktualisieren und isolierte Datenquellen zu vernetzen, wird ein Zusatznutzen für das gesamte Geschäft erzielt , und die Compliance macht sich bezahlt.
Es ist unbestritten, dass die Vorteile der Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel alle Komplexitäten deutlich überwiegen. Wenn Großhandel und Logistikpartner diese Chance nutzen, um ihre Lagerprozesse zu optimieren, eröffnen sie damit die Möglichkeit, umfassende, flexible Infrastrukturen mit mehr Transparenz aufzubauen. Dadurch wird nicht nur die Compliance ab Februar 2019 sichergestellt, sondern auf diese Infrastrukturen kann weiter aufgebaut werden. Damit sind Großhändler gerüstet, um zukünftig einfacher auf Änderungen der Regulierungsbestimmungen reagieren zu können.

Christian Taylor, Serialisation Business Consultant

*Pharmaceutical Serialisation: Compliance and Beyond, EY, 2016.
 

 

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Sprechen Sie uns an oder holen Sie sich eine Demo von unseren komplett integrierten Lösungen.

Sprechen Sie uns an!