Die Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel (FMD) 2011/62/EU tritt am 9. Februar 2019 in Kraft. Durch die Gesetzgebung soll verhindert werden, dass gefälschte oder unbefugt verschriebene Arzneimittel in die rechtmäßige Lieferkette geraten. Dadurch können Patienten besser geschützt werden. Am Anfang der Lieferkette steht der Inhaber der pharmazeutischen Lizenz. Dieser ist zuständig für die Serialisierung der Medikamentenschachteln, die Versiegelung des Produkts und das anschließende Hochladen der eindeutigen Identifikatoren auf den europäischen Hub, das European Medicines Verification System (EMVS). Am Ende muss die Gesundheitseinrichtung, die die Medikamente ausgibt, die Echtheit des betreffenden Produkts überprüfen und das Produkt gegen einen nationalen Hub dekommissionieren. Dieser Hub wird als National Medicines Verification System (NMVS) bezeichnet.

Behind this legislation, there are distinct efficiency and quality advantages to be found
 

In der Mitte der Lieferkette stehen Großhandel, Vertriebsunternehmen und Logistikdienstleister. Sie müssen einen „risikobasierten“ Ansatz zur Überprüfung und Dekomissionierung von Produkten implementieren, die ihre Prozesse durchlaufen. Für die Konformität mit der Richtlinie müssen Hersteller, Großhändler und Vertriebsunternehmen gleichermaßen Veränderungen an ihren Lieferkettenprozessen vornehmen.

Doch der Markt ist trotz der näher rückenden Frist noch nicht darauf vorbereitet. Bezüglich der praktischen Anwendung von FMD gibt es in vielen Bereichen noch Fragen. Unternehmen können es sich nicht mehr leisten, dass diese Bereiche der Implementierung robuster FMD-Lösungen entgegen stehen. Christian Taylor, Business Consultant für Serialisierungs-Lösungen bei Zetes, zeigt auf, worauf es ankommt.

Export

Die größte Herausforderung beim Export ist, dass Unternehmen wissen müssen, wann sie ein Produkt dekommissionieren sollen. Es ist noch immer unklar, ob dies beim Wareneingang oder beim Warenausgang geschehen soll. Daher ist es für Unternehmen besonders wichtig, eine Lösung zu implementieren, mit der Arzneimittel bei der Erfassung von Daten im Rahmen der regulären Abläufe zu einer einzigen Referenz bzw. Umverpackung konsolidiert werden können. Das ermöglicht die automatische Dekommissionierung eines Produkts an geeigneter Stelle, zum Beispiel bei Erfüllung des Kundenauftrags.

Durch Konsolidierung können Unternehmen Einzelartikel der jeweiligen Umverpackung zuordnen. Das Personal im Lager kann dann den Barcode auf einer Verpackung scannen und bedenkenlos die Identität des gesamten Inhalts erfassen. Letztendlich führt eine Investition eines Unternehmens in eine FMD-Lösung, die die Konsolidierung ermöglicht, zur Vereinfachung des Prozesses. Unnötige Komplexitäten bei der Dekommissionierung für den Export werden so beseitigt. Die Einhaltung von FMD kann so bei maximaler Effizienz der Prozesse gewährleistet werden, unabhängig davon, wann die Dekommissionierung erfolgen muss.

Umsetzung von Artikel 23

Gemäß Artikel 23 können die Mitgliedstaaten von Großhändlern und Vertriebsunternehmen verlangen, dass sie Arzneiprodukte erst überprüfen und dekommissionieren, bevor sie diese an eine Einrichtung liefern, die weder Krankenhaus noch Apotheke ist. Dies betrifft unter anderem Universitäten, Veterinäre und öffentlich-rechtliche Institutionen, da diese unter Umständen nicht befugt sind, sich beim nationalen Hub einzuloggen und Produkte zu dekommissionieren.

Daher liegt die Zuständigkeit für die Feststellung, welche Kunden unter Artikel 23 fallen, bei den Großhändlern und Vertriebsunternehmen. Um Compliance zu gewährleisten, müssen Unternehmen in der Lage sein, ihren Kundenstamm durchzusehen, entsprechende Kunden im Rahmen der regulären Abläufe zu erkennen und automatische Trigger für die Dekommissionierung auslösen zu lassen. Großhändler, Vertriebsunternehmen und Logistikdienstleister sollten in eine FMD-Lösung investieren, die sich in ihr Warehouse Management System (WMS) integrieren lässt. Dadurch wird ermöglicht, dass das Personal bei jeder Kommissionierung darauf aufmerksam gemacht wird, welche besonderen Maßnahmen durchzuführen sind.

Durch den Versand von automatischen Meldungen kann bei einer solchen Lösung signalisiert werden, wenn ein Auftrag für einen Kunden kommissioniert wird, der unter Artikel 23 fällt. Das Personal weiß dann, dass das Produkt zu dekommissionieren ist. Unternehmen sollten verhindern, dass Entscheidungen, die die rechtliche Lage des Unternehmens beeinträchtigen können, auf der Ebene der Lagerarbeiter getroffen werden.

Umgang mit Mustern

In der Pharmaindustrie ist der Versand von Mustern an Gesundheitsbehörden oder Ärzte ein geläufiger Vorgang. Je nachdem, wohin diese Muster geliefert werden, werden sie von unterschiedlichen Teilen des Unternehmens aus versandt. Geht beispielsweise ein Muster an die britische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency, MHRA), erfolgt der Versand möglicherweise von der Abteilung für Qualitätssicherung aus. Ein Produkt, das direkt an einen Arzt versandt wird, käme hingegen vielleicht vom Kundenbetreuungs- oder Verkaufsteam. Im Prinzip beziehen Unternehmen ihre Arzneiprodukte über die gewöhnliche Logistikkette.

Consolidation allows organisations to associate ‘child’ items with a ‘parent’ case
 

Aber auch hierfür gilt FMD. Daher brauchen die Unternehmen volle Transparenz über den Zeitpunkt, zu dem die betreffenden Arzneimittel die Lieferkette verlassen, und um zu prüfen, ob die Dekommissionierung erfolgt ist. Derzeit führen viele Unternehmen derartige Überprüfungen noch manuell anhand der verschiedenen Systeme der Hersteller durch. Gemäß der FMD müssen die Unternehmen demnächst darauf achten, in ein System zu investieren, das automatische Abläufe ermöglicht und passend für den richtigen Musterversandprozess für das jeweilige Unternehmen gestaltet ist. Beim Versand von Mustern sollte das System fähig sein, das jeweilige Produkt zu überprüfen und/oder zu dekommissionieren, unabhängig davon, aus welcher Geschäftsabteilung es kommt.

Quarantäne und Vernichtung

Die Vorschriften für die Vernichtung sind heute im Vergleich zur FMD noch relativ lax. Nach dem gegenwärtigen Stand wird ein Produkt nicht sofort vernichtet, wenn es in Quarantäne gehalten wird. Dadurch kann es dann zu Verwechslungen kommen. Doch entgegen landläufigen Befürchtungen braucht die gegenwärtige Geschäftspraxis nicht unbedingt komplett überholt zu werden.

Für die Konformität mit FMD müssen Unternehmen in der Lage sein, zu verfolgen, welche Produkte in Quarantäne gestellt wurden, und zu melden, welche dieser Produkte dekommissioniert und vernichtet wurden. Bei Organisationen, die bereits über eine konsolidierungsfähige Lösung verfügen, kann die Vernichtung über eine Softwarefunktion erfolgen; die Prozesse zur physischen Vernichtung können dann unverändert beibehalten werden.

Fazit

Automatischer Workflow
Um Verwechslungen vorzubeugen, sollten Unternehmen proaktiv nach Lösungen suchen, deren Implementierung möglichst geringe Unterbrechungen der laufenden Arbeitsprozesse verursacht. Außerdem sollten diese Lösungen die Effizienz steigern und im Tagesgeschäft möglichst einfach zu handhaben sein. Die gesetzlichen Einzelheiten bedürfen sicherlich noch einer weiteren Klärung. Wichtig ist jedoch, dass Unternehmen eine robuste Lösung einrichten, mit der sie die Konformität gewährleisten und die Wahrscheinlichkeit menschlicher Fehler möglichst beseitigen.

Die gesetzlichen Einzelheiten bedürfen sicherlich noch einer weiteren Klärung. Wichtig für die Unternehmen ist jedoch eine robuste Lösung

Transparenz von der Chargen- bis zur Stückebene
Unternehmen müssen jetzt unbedingt berücksichtigen, dass derzeit niemand die Daten von Einzelprodukten in der Verpackungsanlage verarbeitet. Für Compliance und Meldung an nationalen Hubs müssen Großhändler, Vertriebsunternehmen und Logistikpartner die aktuellen Prozesse überprüfen und sicherstellen, dass sie in ihren Prozessen Daten für jede Einzelpackung verarbeiten können.

Transparenz ist geboten
Diese Gesetzgebung begünstigt Effizienz und Qualität. Großhändler, Vertriebsunternehmen und Logistikpartner sollten diese Gelegenheit nutzen, um ihre Fähigkeiten innerhalb der Lager- und Geschäftsprozesse zu optimieren. Dabei bietet es sich an, eine umfassende, agile Transparenzschicht in die bestehenden Prozesse und funktionsübergreifenden Systeme einzubauen. Dadurch wird nicht nur die Compliance ab dem 9. Februar 2019 sichergestellt, sondern auf diese Infrastrukturen kann weiter aufgebaut werden. Damit sind die Unternehmen gerüstet, um sich zukünftig einfacher auf Änderungen der Regulierungsbestimmungen einstellen zu können.

 

Zum Videointerview mit Christian Taylor, Business Consultant für Serialisierungs-Lösungen bei Zetes

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