Kundenerwartungen steigen und im Wettbewerb um eine auf sofortigen Nutzen ausgerichteten Generation ist eine agile Lieferkette die Hauptquelle für Wettbewerbsvorsprung geworden. Während Organisationen jedoch klar erkennen, dass sie jeden möglichen Effizienzgewinn in der Lieferkette erschließen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, fühlen sich viele durch veraltete Systeme und komplexe ERP-, WMS- und POS-Implementierungen eingeschränkt.

Anstatt sich an eine massive Modernisierung ihrer Lieferkette zu machen, was zu lange dauern würde bis dem Kunden innovative Leistungen geboten werden können, müssen Organisationen die intelligente Nutzung von integrierten Lösungen in Betracht ziehen, die bedeutende, geringe Verbesserungen (Marginal Gains) einbringen können. Von der Nutzung von Echtzeitinformationen, die den Umstieg von einem reaktiven auf ein proaktives Supply Chain Management ermöglichen, bis zur freien Kombination verschiedener Lagertechnologien, um unterschiedlichen Vertriebsmodellen Rechnung zu tragen – beispielsweise Aufträge von Großmärkten, Tankstellenläden oder Einzelpersonen im Internet – liegt der Schlüssel zu einer agileren Lieferkette in der intelligenten Integration.

Sébastien Sliski, General Manager Supply Chain Solutions bei Zetes, betont, dass angesichts der Tatsache, dass der neue Konkurrenzkampf nicht nur anhand von Preisen und Qualität ausgetragen wird, sondern auch auf der Fähigkeit, den ständig wechselnden und steigenden Erwartungen der Kunden gerecht zu werden, schnelle Verbesserungen in der gesamten Lieferkette ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal sind.

Den Wandel aktiv gestalten

Vom Internet-of-Things bis zur künstlichen Intelligenz und von belegloser Kommissionierung (Pick-to-Light) bis zu tragbaren Geräten und RFID scheinen die Möglichkeiten, mit denen Organisationen Geschwindigkeit und Effizienz der Lieferkette durch technologische Aufrüstung umwandeln können, schier unbegrenzt. Daher stellt sich die Frage, warum es so vielen Omni-Channel-Einzelhändlern immer noch schwer fällt, die Erwartungen der Kunden auch nur annähernd zu erfüllen.

Natürlich vollzieht sich der Wandel so schnell wie nie zuvor. Wenn ein Einzelhandelsunternehmen es gerade geschafft hat, eine Lösung für Lieferungen am nächsten Tag zusammenzubasteln, wird dies zur Norm. Kaum wurde Click&Collect eingeführt, erwarten die Kunden bereits ein breites Angebot an Optionen, wie zum Beispiel „Deliver-to-Me“ oder Lieferung an Paketfächer. Während Organisationen sich beeilen, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen, stellen sie fest, dass ihre bestehenden IT-Systeme und IT-Prozesse einfach zu langsam und umständlich sind.

Hinzu kommt die Volatilität der globalen Lieferketten. Das Ergebnis ist nicht nur ein suboptimales Einzelhandelsmodell, sondern – schlimmer noch – es entstehen auch enorme Kosten beim Betrieb dieser neuen Angebote für die Kunden. Die Online-Retouren betragen bei einigen Einzelhandelsunternehmen mehr als 30 Prozent. Durch die Kosten für die Bearbeitung der Retouren bleiben die Gewinne auf der Strecke. Die Erwartungen der Kunden zu erfüllen, ist aber nur ein Faktor für langfristigen Erfolg im Einzelhandel.

Agile Lieferkette

Für einen profitablen Einzelhandel scheint eine drastische Transformation in der gesamten Lieferkette erforderlich zu sein, von der Herstellung bis zum Vertrieb, der Lieferung und den Systemen in den Filialen. Angesichts des Wunsches nach einer besseren, agileren Lieferkette fühlen sich jedoch zu viele Organisationen eingeschränkt durch die zugrunde liegenden ERP-, WMS- oder älteren Anwendungen. Es scheint einfach zu schwierig zu sein, die innovativen Technologien und Arbeitspraktiken zu übernehmen, die zur Erfüllung der Kundenansprüche erforderlich wären – oder Verbesserungen zumindest in einem akzeptablen Zeithorizont umzusetzen. Kostspielige, komplexe und langwierige, mit hohen Risiken verbundene, IT-Projekte sind angesichts des außerordentlichen Wandels der Kundenerwartungen nicht zu rechtfertigen. Welchen Sinn soll eine Millioneninvestition in einen Kundenservice haben, die bei Aufnahme des Betriebs bereits veraltet ist?

Dieses frustrierende Gefühl gegenüber der Technologie mag zwar verständlich sein, aber es ist nicht unbedingt gerechtfertigt. Bestehende ERP- und WMS-Lösungen können durchaus verbessert und erweitert werden, um die Wertschöpfung und Agilität der Lieferkette zu steigern – auf den richtigen Ansatz kommt es an. Der Schlüssel liegt darin, klein zu beginnen und sich zuerst auf den Prozess zu fokussieren, nicht auf die Technologie.

Das grundlegende Ziel muss die Verbesserung der Transparenz sein. Organisationen arbeiten heute blind, ohne eine Möglichkeit, einen Kundenauftrag in der Lieferkette zu lokalisieren, bevor dieser an der endgültigen Lieferadresse zugestellt wird. Das bedeutet, dass auch keine Möglichkeit gegeben ist, den Kunden mit genauen Informationen zum Status der Lieferung zu versorgen. Folglich können Probleme, die sich im Laufe des Prozesses ergeben und die die Kundenerfahrung beeinträchtigen könnten, nicht ausgeräumt werden. Die mangelnde Transparenz ist es, die Einzelhändler grundlegend daran hindert, Serviceinnovationen ohne hohe Kosten anzubieten.

Geringe Verbesserungen (Marginal Gains) erzielen

Informationen sind der Schlüssel. Durch die Identifizierung kritischer Prozesse und die unmittelbare Erfassung von Transaktionsereignissen innerhalb des Geschäfts können Organisationen die schnelle Zusammenarbeit und sofortige Entscheidungen ermöglichen. Diese intelligente Prozessoptimierung, deren Fokus auf spezifischen Problembereichen des Geschäfts liegt, mit anschließender Anwendung der betreffenden Technologien (von der Mobilisierung von Aufgaben bis zur Erfassung von Daten) kann zu erheblichen Verbesserungen führen, einschließlich einer besseren Transparenz der Bestände und einer besseren Interaktion mit den Kunden.

Zum Beispiel könnte dem Verkaufspersonal in der Filiale die Möglichkeit gegeben werden, nicht nur die Bestände im Lagerraum, sondern auch im Zentrallager und in anderen Filialen zu prüfen. Dies würde den Kundenservice verbessern und die Umsätze steigern.

Ebenso könnte es zur unmittelbaren Verhinderung potenzieller Beeinträchtigungen für den Kunden hilfreich sein, wenn eine Textnachricht über den verspäteten Versand einer Lieferantenbestellung in Echtzeit gesendet werden könnte. Wenn die Möglichkeit besteht, den Kunden darüber zu informieren, dass eine Bestellung innerhalb der nächsten Stunde geliefert wird, kann der Anteil der zugestellten Lieferungen beim ersten Versuch gesteigert und die Zahl der eingehenden Telefonate beim Kundendienst gesenkt werden. Überdies wird vermieden, dass sich Kunden unzufrieden in sozialen Netzwerken äußern. Kosten werden gesenkt und die Kundenerfahrung wird insgesamt verbessert. Die Möglichkeit, sich Echtzeitinformationen und Einblicke in die Lagerbestände zunutze zu machen, ermöglicht Organisationen den Schritt von einer reaktiven Verwaltung der Lieferkette zu einem proaktiven Ansatz, der innovative Kundenservices unterstützt.

Durch die Identifizierung, Überprüfung und Optimierung bestehender Prozesse und die anschließende Ausstattung mit einer geeigneten Collaborative Supply Chain-Technologie können Marginal Gains in jeder Phase der Lieferkette erzielt werden – bei gleichzeitiger Behebung der größten Probleme. Im Lager beispielsweise besteht heute eine der größten Herausforderungen darin, dass eine riesige Vielfalt an Auftragstypen kommissioniert werden muss – vom Einzelartikel für eine Bestellung von einem Direktkunden bis hin zur Bestellung einer Filiale mit 20 Posten à 30 Kartons. In diesem Umfeld funktionieren keine Pauschallösungen. Diejenigen Organisationen, die den besten Prozesstechnologie-Mix für jeden Auftragstyp übernehmen, erzielen daher erhebliche Verbesserungen bei der Genauigkeit und der Produktivität.

Fazit

Schnell und effektiv auf den Bedarf der Kunden reagieren zu können, wird für den Erfolg im Einzelhandel ausschlaggebend. Aber große, millionenschwere IT-Projekte können die Lieferkette nicht innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens agil machen. Daher muss ein anderer Ansatz her. Die Kombination von Prüfungen der Prozesse und der Integration der Collaborative Supply Chain-Technologie kann diese marginalen Effizienzsteigerungen und die Kosteneffizienz von notwendigen Kundenserviceerweiterungen ermöglichen.

Marginal Gains Theorie

Das Konzept basiert darauf, kleine Einzelprozesse zu optimieren, um insgesamt zu einem optimalen Ergebnis zu gelangen. Insbesondere die moderne Supply Chain eignet sich für den Marginal Gains-Ansatz. Die Kraft liegt in der Verbindung vieler kleiner Details. Eine Verbesserung von nur einem Prozent in jedem einzelnen Bereich, so die Theorie, wird in wesentlich höheren Gesamtergebnissen resultieren. Zum Beispiel kleine, aber signifikante Verbesserungen in Schlüsselbereichen, wie Kundenservice, flexible Kaufabwicklung und Häufigkeit des Kaufs.